Complete Vocal Technique (CVT)

Die "Complete Vocal Technique" (CVT), ist eine innovative und wegweisende Methode für alle, die an der Arbeit mit der Stimme interessiert sind - professionelle Sänger/innen ebenso wie Anfänger/innen - zur Anwendung in allen Gesangsstilen. Sie basiert auf dem neusten Stand der Forschung zur Gesangstechnik und wird international von Sängern, Gesangslehrern, Schauspielern, Sprachtherapeuten und Ärzten empfohlen. 

Hier finden sie Auszüge aus dem Buch "Complete Vocal Technique" von Cathrine Sadolin:

Die vier Hauptthemen der Complete Vocal Technique sind:

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Die drei Grundprinzipien – um sicher zu stellen, dass alle Klänge auf gesunde Weise erzeugt werden

 

Die vier Vocal-Modes – um den “Gang” zu wählen, in dem du singen willst

 

Klangfarben – um den Klang heller oder dunkler zu färben

 

 

Effekte – zum Erzeugen spezieller Klänge

 

Die drei Grundprinzipien

Die drei Grundprinzipien bilden die Grundlage des Gesangs und sollten daher perfekt beherrscht werden. Sie ermöglichen das Erreichen aller hohen und tiefen Töne im Stimmumfang des jeweiligen Sängers, das Singen langer Phrasen, eine Tongebung voller Kraft und Klarheit sowie das Vermeiden von Heiserkeit. Die drei Grundprinzipien müssen immer eingehalten werden – unabhängig von Vocal-Mode, Klangfarbe und Effekten. Die drei Grundprinzipien sind:


1. Support (Stütze)

stuetze Als Support bezeichnet man das Arbeiten gegen den natürlichen Drang des Zwerchfells, die eingeatmete Luft herauszulassen. Dies wird erreicht, indem man der Bewegung des Zwerchfells entgegen arbeitet: Beim Singen werden die Muskeln der Taille und der Solarplexus nach außen geschoben, während die Bauchdecke am Bauchnabel in einer zähen Bewegung stetig nach innen gezogen wird und die Rückenmuskeln angespannt werden. Die Lendenmuskeln wollen das Becken nach hinten ziehen (wie zum Hohlkreuz), während die Bauchmuskeln das Becken nach vorne ziehen wollen (wie zum Gerademachen des Rückens). Dieser “Kampf” zwischen Bauch- und Lendenmuskulatur ist ein wertvoller und wichtiger Bestandteil des Supports. Der Support muss – für die gesamte Dauer eines gesungenen Tones – als stetige und zähe Bewegung ausgeführt werden, so als ob man gegen einen Widerstand arbeitet. Wenn die Muskelbewegung nicht länger ausgeführt werden kann (zum Beispiel weil man den Bauch am Bauchnabel nicht weiter einziehen oder die Taillenmuskeln oder den Solarplexus nicht weiter ausdehnen kann), dann ist es in der Regel nicht mehr möglich zu stützen. Es ist wichtig, sich die für den Support vorhandene Energie gut einzuteilen, sie sollte nicht verschwendet oder zur falschen Zeit eingesetzt werden. Setze den Support erst dann ein, wenn es notwendig ist – zum Beispiel bei hohen Tönen oder am Ende von Phrasen. Support bedeutet harte körperliche Arbeit – Sänger/ innen sollten daher gut in Form sein.

2. Notwendiger Twang

twang Der Bereich oberhalb der Stimmlippen bildet einen Trichter, der sich Epiglottis-Horn oder Kehlkopftrichter nennt. Beim “Twangen” wird die Öffnung des Kehlkopftrichters verkleinert, indem die Stellknorpel näher an den unteren Teil des Kehldeckels (Petiole) gebracht werden. Das Ergebnis ist, dass der Klang klarer und weniger hauchig wird, und dass die Lautstärke erhöht werden kann. Notwendiger Twang ist beim Singen grundsätzlich immer erforderlich, um eine korrekte Gesangstechnik und einen leichten und ungehinderten Einsatz der Stimme zu ermöglichen – unabhängig von Vocal-Mode, Klangfarbe und Effekt. Der notwendige Twang vereinfacht das Singen in jeder Hinsicht. Für viele ist der notwendige Twang übrigens gar nicht als Twang herauszuhören.

3. Vorgeschobenen Unterkiefer und Lippenverspannungen vermeiden  

ober-unterkiefer
Vermeide einen vorgeschobenen Unterkiefer und Lippenverspannungen, da diese oft Verspannungen im Bereich um die Stimmlippen auslösen. Man kann den Unterkiefer dadurch entspannen, dass man den Kopf in den Nacken legt und einen Finger zwischen Ober- und Unterkiefer platziert. Diese Position des Unterkiefers wird während des Singens beibehalten. Der Unterkiefer sollte im Verhältnis zum Oberkiefer nach hinten versetzt sein. Achte darauf, den Mund bei hohen und tiefen Tönen weiter zu öffnen als in mittlerer Stimmlage. Zum Vermeiden von Lippenverspannungen ist es wichtig, dass die Vokale mit der Zunge geformt werden, ohne wesentliche Veränderung der Form der Mundöffnung. Im Gegensatz dazu werden Konsonanten in der Regel durch Verengung des Ansatzrohrs und durch Lippenspannungen erzeugt. Da man aber nicht so lange auf den Konsonanten verharrt, behindern sie das Singen nicht. Es ist jedoch wichtig, dass die Spannung sofort gelöst wird, wenn man von Konsonanten zu Vokalen wechselt.

Die vier Vocal Modes

Der Einsatz der Stimme kann in vier Vocal-Modes eingeteilt werden: Neutral, Curbing, Overdrive und Edge (ehemals Belting). Die Modes unterscheiden sich durch ein unterschiedliches Maß an “Metall” im Klang. Die meisten Gesangsprobleme entstehen durch falsche Anwendung der Modes. Jeder Mode hat einen bestimmten Charakter, ebenso wie spezielle Einschränkungen und Vorteile. Um Fehler und technische Probleme zu vermeiden, ist es wichtig, die Modes zu kennen und zu beherrschen, ihre Vorteile zu nutzen und ihre Einschränkungen zu respektieren. Es ist ebenfalls wichtig, problemlos zwischen den Modes wechseln zu können, um ihre Vorteile optimal ausnutzen zu können. Man kann unauffällig wechseln oder abrupt, um bewusst Vocal Breaks (Brüche) beim Singen zu erzeugen. Jeder der vier Modes sollte separat und auf unterschiedliche Weise geübt werden. Denk daran, unabhängig vom Mode die drei Grundprinzipien einzuhalten.


Neutral

neutral
Neutral ist der einzige nicht-metallische Vocal-Mode, es gibt kein “Metall” im Klang. Der Charakter ist normalerweise weich, wie zum Beispiel beim Singen eines Schlafliedes. Neutral ist der einzige Mode, in dem man mit Nebenluft singen kann, ohne der Stimme zu schaden. Die zwei Extreme sind “Neutral mit Hauch” und “Neutral ohne Hauch”. Zur besseren Verständlichkeit werden sie im Buch mitunter getrennt behandelt. Neutral findet man durch Etablieren eines lockeren Unterkiefers. In Pop-, Jazz- und Rockmusik wird Neutral mit Hauch in ruhigen Passagen eingesetzt, in denen ein hauchiger Klang erwünscht ist. In der klassischen Musik wird Neutral mit Hauch nur als seltener Effekt eingesetzt. Im Alltag hört man Neutral mit Hauch, wenn jemand flüstert oder mit hauchender Stimme spricht.Neutral ohne Hauch wird in populärer Musik oft eingesetzt, wenn der Klang ohne Metall sein soll – und trotzdem klar und ohne Nebenluft. In der klassischen Musik wird Neutral ohne Hauch sowohl von Männern als auch von Frauen benutzt, wenn leise gesungen wird, zum Beispiel im Pianissimo und beim Ausdünnen (die Lautstärke wird langsam reduziert, während der Klang seine Qualität behält). Frauen verwenden Neutral ohne Hauch in klassischer Musik beim Singen in hohen Lagen unabhängig von der Lautstärke. Im Alltag wird Neutral ohne Hauch benutzt, wenn man relativ leise ohne Nebenluft auf der Stimme spricht. Alle Tonhöhen, alle Vokale und alle Klangfarben können in Neutral sowohl von Männern als auch von Frauen benutzt werden. Die Lautstärke bewegt sich generell im leisen Bereich, von sehr leise (pp) bis mittellaut (mf). Sehr hohe Lautstärken (ff) sind nur in hohen Lagen in Neutral ohne Hauch möglich. In der westlichen Welt ist Neutral der am häufigsten eingesetzte Mode im Gesangsunterricht (für Frauen) und wird oft in Schulchören und Kirchenchören benutzt.


Curbing

curbing Curbing ist der einzige halb-metallische Mode – der Klang enthält einen geringen Anteil an Metall. Es ist der dezenteste der metallischen Modes. Der Charakter ist oft etwas klagend oder verhalten (als würde man z.B. über Bauchschmerzen klagen). Finden kann man Curbing durch Etablieren eines “Holds” (eine Art “Zurückhalten” der Stimme). Curbing wird in Pop-, Jazz- und Rockmusik eingesetzt, wenn in mittlerer Lautstärke mit etwas Metall im Klang gesungen wird – zum Beispiel in softer Soulmusik oder im R&B. Im klassischen Gesang wird Curbing von Männern in mittlerer Lautstärke (mf) über den gesamten Stimmumfang verwendet; von Frauen bei höheren Lautstärken (mf – f) in mittlerer und manchmal auch in tiefer Stimmlage. Curbing hört man im Alltag, wenn jemand jammert, stöhnt oder quengelt. Männer können über den gesamten Stimmumfang in Curbing singen, Frauen bis zum C3. Die Klangfarbe kann stark verändert werden. Die Vokale müssen in Richtung OO (wie in oder), Œ (wie im französischen “vin” oder e in Hacke) oder U (wie in Uhu) verändert werden, um in Curbing singen zu können. Die Lautstärke bewegt sich im mittleren Bereich – von mittelleise (mp) bis mittellaut (mf). Sehr niedrige und sehr hohe Lautstärken sind in Curbing nicht möglich.


Overdrive

overdrive Overdrive ist einer der beiden voll-metallischen Modes. Der Klang enthält sehr viel Metall. Der Charakter von Overdrive ist oft geradeheraus, kraftvoll und laut, so als ob man jemandem über die Straße “Hey!” zuruft. Overdrive kann man finden, indem man einen “Biss” etabliert. Er wird in der Regel beim lauten Singen oder Sprechen in tiefer oder mittlerer Stimmlage verwendet. In populärer Musik wird Overdrive eingesetzt, wenn hohe Lautstärke und viel Metall im Klang gefragt sind, zum Beispiel in harter Rockmusik. In klassischer Musik hört man Overdrive, wenn Männer laut singen (f-ff); Frauen benutzen diesen Mode nur in tiefer Lage, wenn überhaupt. Im Alltag wird Overdrive beim Rufen benutzt. Overdrive ist der einzige Mode mit Einschränkungen bezüglich der Tonhöhe bei sowohl Männern und Frauen. Die oberste Grenze für Frauen ist D2, für Männer C2. Es gibt keine untere Grenze. Alle Vokale können in tiefer Stimmlage benutzt werden, aber in hohen Lagen ist man auf Æ (wie in Echt) und OH (wie im englischen “go”) beschränkt. Die Klangfarbe kann in gewissem Maße verändert werden. Obwohl die Lautstärke in Overdrive normalerweise hoch ist, sind in tiefen Lagen relativ niedrige Lautstärken möglich. Je höher man singt, desto ausgeprägter wird der laute und rufende Charakter.

 

Edge

edge
Edge (ehemals Belting) ist der andere voll-metallische Mode. Der Klang enthält einen hohen Anteil an Metall. In Edge ist der Charakter hell, scharf, grell, aggressiv und kreischend, wie zum Beispiel beim Nachmachen eines Flugzeugs im Sturzflug. Edge findet man durch Twangen des Kehlkopftrichters (zum Beispiel indem man wie eine Ente schnattert). Edge wird in einigen Stilarten der Popmusik eingesetzt – am häufigsten in hohen Lagen, wenn sehr hohe Lautstärken und sehr viel Metall im Klang gebraucht wird (wie zum Beispiel im Heavy Rock oder Gospel). Im klassischen Gesang wird Edge z.B. verwendet, wenn Männer sehr laut (ff) in hoher Lage singen, zum Beispiel beim hohen C von Tenören. Im Alltag hört man Edge, wenn jemand gellend schreit. Edge kann von Männern über den gesamten Stimmumfang benutzt werden, von Frauen bis C3. Ausschließlich Vokale mit Twang können verwendet werden, da das Twangen des Kehlkopftrichters eine Voraussetzung für Edge ist. Dies bedeutet, dass man in hohen Lagen nur EE (wie in Edel), Æ (wie in Echt), Ä (wie in lässig) und Ö (wie in Öhr/Öffnen) benutzen kann. Die Klangfarbe kann nur wenig verändert werden. In hohen Lagen darf man den hellen und scharfen Klang nicht ändern. Die Lautstärke ist meistens hoch. Je höher man in Edge singt, desto deutlicher wird der kreischende Charakter.

 

Klangfarbe

mundhoele
In allen Vocal-Modes kann der Klang heller oder dunkler gefärbt werden, in manchen Modes jedoch mehr als in anderen. Die Klangfarbe wird im Ansatzrohr geformt. Das Ansatzrohr ist der gesamte Bereich oberhalb der Stimmlippen bis zu den Lippen, einschließlich des Nasengangs. Die Form und Größe der Mundhöhle hat große Bedeutung für die Klangfarbe. Jeder Mensch hat eine individuell geformte Mundhöhle und darum auch seine ganz eigene Klangfarbe. Ist die Mundhöhle groß, dann ist der Klang dunkler und voller, bei einer kleinen Mundhöhle ist die Klangfarbe heller und feiner. Die Form der Mundhöhle kann auf vielfältige Art verändert werden, deshalb gibt es viele Möglichkeiten die Klangfarbe zu ändern. Denke daran, dass es wichtig ist, die drei Grundprinzipien einzuhalten und den gewählten Mode zu beherrschen, bevor du die Klangfarbe variierst. Die Form der Mundhöhle kann durch folgende Faktoren verändert werden: Form des Kehlkopftrichters, Position des Kehlkopfs, Form und Position der Zunge, Form und Weite der Mundöffnung, Position des weichen Gaumens, Öffnen oder Schließen des Nasengangs. Jeden dieser Faktoren kannst und solltest du einzeln für sich üben, um seinen Einfluss auf die Klangfarbe kennenzulernen. Wenn du alle Faktoren einzeln beherrschst, dann kannst du sie kombinieren, um die Klangfarbe noch extremer zu variieren.


Effekte

Effekte sind spezielle Klänge, die nicht direkt mit Melodie und Text verbunden sind, sondern den Ausdruck oder den eigenen Stil des Künstlers unterstreichen. Viele Effekte werden im Ansatzrohr gebildet. Da sich jedoch alle Menschen unterscheiden, muss jeder Effekt für die jeweilige Person maßgeschneidert werden – unter Berücksichtigung ihrer Anatomie, ihrer Physiologie, ihrer Fitness, ihres Energielevels und ihres Temperaments. Bevor man mit Effekten arbeitet, ist es wichtig, dass die drei Grundprinzipien, der gewählte Mode und die Gestaltung der Klangfarbe beherrscht werden. Effekte können sein:
    • Distortion (Verzerrung)
    • Creaks (Knarren) und Creaking (Knarren auf Tonhöhe)
    • Rattle (Röcheln)
    • Growl (Knurren)
    • Grunt (Stöhnen)
    • Schreie
    • Vocal Breaks (Beabsichtigte Brüche)
    • Hauch auf der Stimme
    • Vibrato
    • Ornamentierungstechnik (schnelle Läufe, Verzierungen)
  • Weiterführende Informationen unter www.completevocalinstitute.com

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